Sommerkonzert 1999

Kritik in der Süddeutschen Zeitung

Souveräner Schubert, tapferer Mozart

Unter Leitung von Wolfram Graul wird auch die vertrackte Es-Dur-Sinfonie KV 543 gemeistert

Kritik aus der Süddeutschen Zeitung zum Sommerkonzert 1999
am 30. Juni 1999 im Garchinger Bürgerhaus
von Adolf Karl Gottwald

Garching – Nach der Aufführung einer Rossini-Oper, die Franz Schubert zusammen mit einigen Freunden besucht hatte, sollen sie diese derart begeistert über Rossinis Musik und insbesondere über seine Opern-Ouvertüren geäußert haben, daß sie damit Schubert zu der Erklärung reizten, es würde ihm ein Leichtes sein, binnen kurzer Zeit selbst Ouvertüren dieser Art zu schreiben. Seine Begleiter nahmen ihn beim Wort, und Schubert komponierte im November 1817 tatsächlich zwei Ouvertüren „im italienischen Stile“. Am 1. März 1818 wurde eine dieser beiden Ouvertüren in Wien aufgeführt, und das war die erste öffentliche Aufführung eines Werkes von Schubert. Was für Schubert ein Leichtes war, sollte für das Garchinger Sinfonieorchester unter der Leitung von Wolfram Graul weitgehend problemlos sein. Die Aufführung im Bürgerhaus zeigte, daß die Ouvertüre in C-Dur, die bekanntere der beiden Ouvertüren „im italienischen Stile“, für die Bedürfnisse, die starke Besetzung und die spieltechnischen Möglichkeiten des Garchinger Sinfonieorchesters genau die richtige ist. Das von Wolfram Graul gut geschulte und geführte Orchester spielte so locker, daß die Rossini-Leichtigkeit, die Schubert in seinen Ouvertüren anstrebt, deutlich spürbar wurde. Die Solistin des Abends war Christiane Dohn, die derzeitige Erste Soloflötistin im Münchner Rundfunkorchester. Sie spielte Mozarts Flötenkonzert D-Dur KV 314 souverän und selbstbewußt und brillierte vor allem in ihren groß angelegten, auch musikalisch attraktiven Kadenzen. Das Orchester begleitete sie tadellos und zeigte dabei, daß es auch mit Mozarts Musik umgehen kann, was bekanntlich eine sehr diffizile Angelegenheit ist. Nach der Pause dann die Sinfonie des Abends, Mozarts 1788 geschriebene große Es-Dur-Sinfonie KV 543: Das war für ein Laienorchester etwas hoch gegriffen, denn bei dieser Sinfonie ernten selbst professionelle Orchester mit Stardirigenten nicht leicht ungeteilte Zustimmung. Beim Laienorchester sind zunächst Probleme der Intonation zu bewältigen. Es-Dur ist für Bläser eine angenehme, für Streicher dagegen eine recht unangenehme, schwierige Tonart. Das war vor allem bei der langsamen Einleitung zum 1. Satz dieser Sinfonie zu hören. „Die Tonart Es-Dur entfaltet gleich zu Beginn, unterstützt von dem auch anderen Mozartschen Es- Dur-Stücke eigentümlichen, straff punktierten Rhythmus, die ganze dunkle Pracht, die für sie nach italienischem Vorbild bei Mozart charakteristisch ist. Dieses hochgestimmte, schwere Pathos hält das ganze Adagio fest und steigert es in seinem Verlauf bis ins Finstere und Unheimliche…“ schreibt dazu der Mozart-Biograph Hermann Abert. Das zu gestalten, ist schwer, wenn man noch mit der Intonation zu kämpfen hat. Insgesamt aber spielten die Streicher tapfer, die Bläser meisterten selbst die schwierigsten Solostellen, und Wolfram Graul hielt das Ganze straff zusammen. Das (berühmte) Menuett nahm er sogar außerordentlich markig und schnell, den letzten Satz dagegen begann man vorsichtig. Höchst originell ist, wie Mozart die Sinfonie mit den ersten Tönen des Satzes abschließt. Das Garchinger Publikum war davon derart überrascht, daß es mit dem Beifall erst einsetzte, als Orchestermitglieder durch Zeichen zu verstehen gaben, daß die Sinfonie abgeschlossen sei. Dann aber brach der Beifall kräftig los, und das Garchinger Sinfonieorchester spielte den Marsch aus Mozarts Oper „Titus“ als Zugabe.

Winterkonzert 1999

Kritik in der Süddeutschen Zeitung

Gekonnter Umgang mit Ohrwurm

Garchinger Sinfonieorchester bewältigt elegant den „Postillon von Lonjumeau“

Kritik aus der Süddeutschen Zeitung zum Winterkonzert 1999
am 24. Februar 1999 im Garchinger Bürgerhaus
von Adolf Karl Gottwald

Garching – „Freunde, vernehmet die Geschichte von einem jungen Postillon …“ – das Lied des Postillon von Lonjumeau, der nach alter Sitte seine von den Brautjungfern entführte Braut frei singen muß und dabei als künftiger Startenor der Grande Opera in Paris entdeckt wird, es war über 120 Jahre lang ein richtiger Ohrwurm. Selten fehlte es in einem Opernwunschkonzert, der Tenor Theodor Wachtel soll es über eintausendmal gesungen und damit den legendären Erfolg dieser Oper in Deutschland befördert haben. Heute ist Der „Postillon von Lonjumeau“ von Adolphe Charles Adam auf den Spielplänen der deutschen Bühnen jedoch kaum noch zu finden. Umso erfreulicher war es, daß das Garchinger Sinfonieorchester mit seinem Dirigenten Wolfram Graul dieses Werk jetzt in einer konzertanten Aufführung präsentierte. Das Publikum nahm die Gelegenheit dankbar wahr, der große Saal des Bürgerhauses Garching war sehr gut besetzt, der Beifall zuletzt riesig. Was hier geboten wurde, war aber auch „riesig“. Die Musik ist leicht, das heißt von eingängiger Melodik, eleganter, spritziger Rhythmik und insgesamt von gewinnender Heiterkeit. Die Aufgabe, diese Musik so locker zu spielen, wie sie geschrieben ist, löste das Garchinger Sinfonieorchester elegant, und Wolfram Graul erwies sich wieder als sehr gewandter Kapellmeister. Mit diesem Dirigenten hat das Garchinger Sinfonieorchester einen „Goldenen Schuß“ getan. Sonderapplaus für den Soloklarinettisten dieses Orchesters, der sein in die Partitur eingebautes großes Solo ausgezeichnet blies. „Der Postillon von Lonjumeau“ steht und fällt aber mit der Besetzung der Titelrolle. Sie verlangt einen außerordentlich hohen Tenor, der dreimal das hohe D ansingen muß, also noch einen Ton über dem berüchtigten „Hohen C“, dem Prüfstein aller Tenöre. Die Garchinger hatten Glück. Nachdem der für diese Partie vorgesehene Tenor ausgefallen war, konnten sie mit dem aus Mexiko eingeflogenen Tenor Rene Velazques-Diaz einen Ersatz finden, der die Partie mühelos und sehr schön sang und zudem noch ansprechend spielte. Die einstige Erfolgsoper wurde in Garching zwar konzertant gegeben, aber doch nicht so, daß die Sängerin und die Sänger ihre Partien im Abendkleid beziehungsweise im Frack nur steif sangen. Es gab zwar keine Bühne mit Bühnenbild, doch die Solisten, waren kostümiert, hatten ihre Auftritte und Abgänge und waren so gut vorbereitet, daß sie nicht an ihren Noten kleben mußten, sondern Zeit hatten, sich etwa beim Duettieren anzuschauen und ihren Gesang durch entsprechende Mimik und Gestik zu unterstützen. Aufgeführt wurden an diesem Abend die meisten der 13 Musiknummern dieser Oper. Der darin vorgesehene gesprochene Dialog erübrigte sich, denn Wolfram Graul erzählte zwischendrin kurz, wie man sich den Handlungsablauf vorzustellen habe. Den aber kann man in jedem Opernführer nachlesen. Hier ist es wichtiger festzuhalten, daß Franziska Schernstein (Sopran) dem mit weicher Stimme und makelloser Höhe überzeugenden Tenor gesanglich und auch im angedeuteten Rollenspiel ebenbürtige Partnerin war, und, daß auch die kleineren Rolle, mit Thomas Gropper (Bariton) und Tim Hennis (Baß) sehr gut besetzt waren. Um genügend Volk für diese Oper auf die Bühne zu bringen, wirkten Sängerinnen und Sänger aus Gerd Guglhörs Orpheus-Chor, der Laudatekantorei Garching, dem Münchner Singkreis, dem Chor von St. Severin Garching, dem Kantate Singkreis Kirchheim und dem Chor des Werner-Heisenberg-Gymnaisums Garching zusammen, eine hoffentlich beispielgebende Zusammenarbeit. Wenn wie in Garching alles an einem Strick zieht, kann man sogar eine leichtbeschwingte Spieloper – gewiß nicht das einfachste Genre – auf die Bühne stellen. Der Erfolg des konzertant gegebenen „Postillon von Lonjumeau“ von Adolphe Adam sollte zu szenischen Aufführungen ermutigen.

Kritik im Münchner Merkur

Spitzentöne für den Tenor

Garchinger Chor und Orchester führen komische Oper konzertant auf

Kritik aus dem Münchner Merkur zum Winterkonzert 1999
am 24. Februar 1999 im Garchinger Bürgerhaus
von Charlotte Becker

Garching – Härtetest für jeden Tenor: Drei hohe d meisterte der Mexikaner René Velázquez-Diáz am Mittwoch abend mit Bravour. Die komische Oper „Der Postillion von Lonjumeau“ von Adolphe Adam fordert selbst dem stimmgewaltigsten Sänger Höchstleistungen im wahrsten Sinne des Wortes ab. Trotz vieler Widrigkeiten im Vorfeld feierte Wolfram Graul mit Chor und Garchinger Sinfonieorchester einen großen Erfolg mit der konzertant aufgeführten Oper. Schon die Beschaffung der Noten war ein Problem: Zwar gibt es zahlreiche Bearbeitungen der komischen Oper, die 1837 erstmals in Berlin auf französisch gesungen wurde, doch Wolfram Graul suchte nach der Originalfassung, übersetzte sie ins Deutsche und bearbeitete sie für die konzertante Aufführung. Mit viel kompositorischem Witz und effektvollen Gesangseinlagen entspinnt sich eine Romanze: Der Postillion Chapelou (René Velázquez-Diáz) heiratet die Wirtin Madeleine (Franziska Schernstein). Als er vor dem Brautgemach seine Postillionromanze singt, hört dies der Marquis (Bariton Thomas Gropper) und überredet ihn, stante pede mit ihm zur Gesangsausbildung nach Paris zu fahren. Ohne Abschied zu nehmen, beginnt Chapelou ein neues Leben und wird unter dem Namen Saint-Phar als Startenor und Frauenheld berühmt. Doch die sitzengelassene Madeleine, hervorragend gesungen von der Sopranistin Franziska Schernstein, schwört Rache. Sie hat inzwischen reich geerbt und nähert sich ihrem Mann inkognito als Madame de Latour, wird sein neuester Scharm und überlistet ihn zu einer Ehe mit ihr. Doch auch der Marquis hat ein Auge auf die schöne Madame geworfen. Als er erfährt, daß Saint-Phar vor zehn Jahren bereits verheiratet war, sieht es schlecht für diesen aus: Auf Bigamie steht der Galgen. In letzter Minute klärt Madeleine, die ihren Mann noch immer liebt, die Situation auf, dem Happyend steht nichts mehr im Wege. Es ist beachtlich, daß sich Orchester und Chor an eine so schwierige Aufführung heranwagten, um so bemerkenswerter war deren souveräne Leistung. Zudem wird die Oper heute nur noch selten aufgeführt und erforderte viel Übung für die Solisten und großen Einsatz von den rund 100 Laien in Orchester und Chor, der sich aus Mitgliedern verschiedener Chöre zusammensetzte. Daß Madame, deren Part Franziska Schernstein sehr souverän und mit viel Grazie sang, ihren manchmal etwas schwer zu verstehenden Postillon um einen Kopf überragte, machte der temperamentvolle Mexikaner mit Witz und viel Charme locker wett.