Interview mit Carolin Anne Widmann
Wir freuen uns sehr auf unser Sommerkonzert – ein „doppeltes“ Jubiläum: Denn wir feiern nicht nur unser 20-jähriges Bestehen, sondern auch das 5. gemeinsame Konzert mit Ihnen! Das ist natürlich die Zeit und Gelegenheit dafür, noch mal einiges Revue passieren zu lassen, Bilanz zu ziehen aber auch neue Pläne für die Zukunft zu schmieden.
Frau Widmann, zuerst zu Ihnen selbst: Wie finden Sie als viel beschäftigte Musikerin immer wieder die Zeit, nach Garching zurückzukehren?
Für mich ist es wunderbar, nach Garching zurückzukehren, weil ich mich an gute alte Zeiten erinnere, ich glaube ich habe zum ersten Mal in Garching gespielt als ich 19 war, das ist jetzt fast 10 Jahre her. Natürlich kenne ich auch einige Leute aus dem Orchester persönlich, auf die ich mich auch sehr freue. Und es ist es immer wieder eine Gelegenheit, Wolfram Graul wieder zu sehen. Leider sehen wir uns viel zu selten und können auch nur zu wenigen Gelegenheiten zusammen musizieren. Ich freue mich wahnsinnig darauf, auch weil das Ganze in einer entspannteren Atmosphäre stattfindet als beispielsweise bei professionellen Konzerten.
Sie sind ja dabei, sich national und international immer mehr einen Namen zu machen. Was waren da für Sie die wichtigsten Schritte in der letzten Zeit?
Letztes Jahr war der Gewinn des Belmont-Preises der Schneider-Forberg-Stiftung ein großer Schritt. Zum einen war es eine große Ehre, und zum anderen hat es sowohl finanziell als auch in Bezug auf PR viel gebracht. Dieses Jahr hatte ich mit den Stuttgarter Philharmonikern mein Debüt und mit dem WDR-Sinfonieorchester in Köln. Und jetzt spiele ich zum ersten Mal mit der London Sinfonietta und werde ein großes Konzert spielen. Außerdem bin ich beim Luzern Festival, bei den Berliner Festwochen (diesen Sommer) und in Strassburg beim MUSICA-Festival. Das sind die großen Meilensteine, die für mich sehr wichtig sind. Ich finde es sehr schön, die Chance zu haben, dort aufzutreten.
Wie sehen Ihre musikalischen Pläne für die Zukunft aus? Gibt es Projekte, auf die Sie sich besonders freuen?
Ja, die gibt es, – z.B. werde ich beim Luzern Festival ein Rezital geben, in der Berliner Philharmonie und in Strassburg spielen, dann gebe ich 2006 mein Debüt mit dem BR-Sinfonieorchester, worauf ich mich besonders freue und wir machen eine DVD- und Video-Produktion mit Luciano Berios Sequenza. Darauf freue ich mich sehr, weil es dann endlich einem breiten Publikum zugänglich gemacht wird. Das sind die Highlights, aber ich hoffe es kommen noch mehr dazu!
Zu unserer Zusammenarbeit: Haben Sie außer in Garching bereits mit anderen Laien-Orchestern gespielt?
Bei Anfragen von Laien-Orchestern – das muss ich ganz ehrlich sagen – lehne ich ab, weil die Garchinger in dieser Beziehung ein Exklusivrecht haben.
Allerdings arbeite ich noch mit Jugendorchestern, zum Beispiel mit dem schwäbischen Sinfonieorchester, mit dem ich sogar dieses Jahr noch einmal spiele. Oder mit dem Landesjugendorchester Mecklenburg-Vorpommern.
Ich finde es ist eine wichtige Erfahrung, mit unterschiedlichen Leuten zu spielen und mit ihnen zusammenzukommen und mich auch von ihnen inspirieren zu lassen. Ich hoffe auch ich kann diese Leute inspirieren und sie vielleicht dazu ermutigen, ihre musikalische Laufbahn weiter fortzusetzen, als Hobby oder Beruf. Zumal die musikalische Förderung in Deutschland aus finanziellen Gründen immer mehr Abstriche machen muss. Was ich an dieser Stelle tun kann, werde ich tun. Ich möchte ein bisschen von dem zurückgeben, was ich empfangen habe.
Vor allem weil ich weiß, dass es für junge Menschen im Alter zwischen 12 und 20 sehr wichtig ist, Vorbilder zu haben, jemanden, der es lebt, Musiker zu sein oder jemanden, der es geschafft hat, nebenher noch zur Schule zu gehen. Das sind ja Konflikte, die auf einen zukommen, wenn man als Jugendlicher so etwas macht. Da ist es sehr wichtig ein Vorbild zu haben, an dem man sich orientieren kann.
Was waren eigentlich Ihre Anfänge in Garching? Wie sind Sie dazugekommen?
Ich kam über Wolfram Graul nach Garching. Ich würde ihn als einen meiner einflussreichsten Lehrer bezeichnen, obwohl er selbst kein Geiger ist. Kennen gelernt habe ich ihn mit 15 Jahren, bei einer Aufnahme im BR, da war er noch Tonmeister und hat mir angeboten einmal vorzuspielen. Ich war allerdings über ein ganzes Jahr hinweg zu schüchtern, um mich zu melden, da ich auch nicht sicher war, ob er es ernst gemeint hatte. Ich habe mich dann doch ein Weihnachten später getraut ihn anzurufen, und da haben wir auch gleich für Anfang Januar ein Mendelssohn-Konzert ausgemacht. Er hat mich dann innerhalb von 5 Stunden total auseinander genommen und jeden Ton analysiert wie ein Lehrer, wie man ihn sich nur wünschen kann. Und das hat sich dann fortgesetzt über meine gesamte restliche Schulzeit, solange ich noch in München war. Wir haben uns mehrmals wöchentlich getroffen, und ich habe unglaublich viel Inspiration daraus gezogen und unheimlich viel gelernt. Er war für mich ein großes musikalisches Vorbild und hat mir sehr viel gegeben. 3-4 Jahre nachdem ich ihn kennen gelernt hatte, kam er dann auf mich zu: „Ich habe ein Laien-Orchester, und es wäre toll, wenn du da als Solistin mitspielen würdest.“
Hat sich für Sie das Garchinger Sinfonieorchester im Laufe der Jahre verändert? Und wenn ja, inwiefern?
Ich hoffe es wird nicht falsch aufgefasst, denn das Garchinger Sinfonieorchester war schon ein sehr gutes Orchester als ich es kennen gelernt habe, aber ich habe das Gefühl, dass die Qualität immer noch besser geworden ist. Und auch in meiner Zeit in London, also ohne mich, hat es sich stark gesteigert. Ich bin schon sehr gespannt auf den Sibelius. Ich denke vor ca. 10 Jahren hätte man den Sibelius gar nicht vorschlagen können. Damals hätten wir uns an so ein schwieriges Stück nicht getraut. Das spricht schon Bände über die gewachsene Qualität des Orchesters und des Dirigenten.
Gibt es ein Konzert mit uns, an das Sie sich besonders gerne erinnern?
An wirklich alle, an jedes auf seine Weise. Und ich verbinde jedes Konzert mit den Garchingern mit persönlichen Erlebnissen. Ich finde tolle Konzerte waren die mit den Beethoven Romanzen oder mit dem Mozart D-Dur Konzert.
Ein paar Fragen zur musikalischen Arbeit: Ist es für Sie ein Unterschied mit „Laien“ wie in Garching zu spielen oder mit professionellen Musikern?
Ja, insofern als dass ich mehr Zeit habe, ich genieße es sehr mit einem Laien-Orchester mehr proben zu können. Und ich verspüre oftmals mehr Enthusiasmus im Laien-Orchester als bei professionellen Musikern. Sibelius zum Beispiel klingt bei professionellen Orchestern manchmal sehr langweilig, weil es nichts Besonderes für sie ist. Für ein Laien-Orchester ist es aber genau das – und das spürt man.
Wer muss sich dabei mehr auf wen einstellen? Das Orchester auf Sie oder anders herum?
Ich glaube beides, ich denke es ist für beide eine Umstellung, wenn ich wieder dazukomme. Ich denke beide müssen sich aufeinander einstellen.
Und wie soll es weitergehen? Wie stellen Sie sich die Zukunft des Garchinger Sinfonieorchesters vor?
Wenn es so weiter geht, dann gibt es kein Limit! Wirklich, wenn sich die Arbeit so fortsetzt, dann sind wir alle unglaublich glücklich. Es geht immer weiter bergauf.
Werden Sie uns weiterhin die Treue halten?
Natürlich. Ich habe keine Sekunde gezögert: Die Antwort ist Ja!
Interview mit Carolin Anne Widmann
Geführt von Nikolaus Wishaber, 2005